Ich habe über "Naked Stage" vom Theater ohne Probe zusammen mit Lisa Rowland eine Show-Review geschrieben. Es wird ja selten substantiell über Impro-Shows geschrieben - vermutlich weil es so eine flüchtige Kunstform ist. Inhalte ändern sich eben, was bleibt ist der Augenblick.
Den Artikel findet ihr hier:
https://www.impro-news.de/2016/07/naked-stage-vom-theater-ohne-probe/
Lampenfieber ist die Aufregung vor einer Aufgabe. Ich werde öfter gefragt, ob ich noch aufgeregt bin vor Shows. Meine Antwort ist "manchmal". Und ich grüble öfter darüber nach, ob das gut oder schlecht ist. Hier einige Überlegungen dazu.
Als Lampenfieber wird eine Form von Anspannung, Nervosität oder Stress vor einem öffentlichen Auftritt bezeichnet. Das trifft sowohl darstellende wie musikalische Kunstformen, Reden vor Publikum - aber auch Prüfungssituationen oder sonstige schwierige Aufgaben. Dabei muß die Erfüllung des selbstgesteckten Ziels besonders wichtig sein. Continue Reading
Ich bin gerade auf dieses Del Close Video von 1986 gestoßen. Der Impro-Visionär spricht über das Impro-Langformat "Harold" und was seine Grundideen sind. Es ist bekannt, das Del Close den Namen "Harold" nicht mochte - das spricht er auch hier an.
Del Close war einer der bedeutensten Köpfe für das moderne Improtheater und hatte großen Einfluß auf die amerikanische Comedykultur. Er schuf unter anderem die berühmteste Impro-Langform - den Harold und ist Co-Author des Buches "Truth in Comedy: Manual of Improvisation" - was sogar eine "Simpsons"-Erwähnung erhielt. Continue Reading
Der "Busby Berkeley" ist eine der möglichen Group Openings der Impro-Langform "Harold". Es ist inspiriert durch die Ästhetik der Symetrie von Filmen Berkeleys. Busby Berkeley ist ein Regisseur und Choreograph der 30er und 40er Jahre. Besonders bekannt wurde er durch seine geometrischen Tanzchoreographien, die er mittels rechtwinkliger Kamerawinkel auch filmisch sehr beeindruckend umsetzte.
Es dreht sich dabei wirklich alles um Symetrie. Die Symetrie kann radial oder axial sein, gern auch in sehr komplexe Formen abwandelt. Es ist eine der möglichen Group Openings des Harold. Symetrie ist relativ einfach umzusetzen. Continue Reading
Für das Impro-Langformat Harold gibt eine sehr große Zahl an Typen für das Group Opening. Eine Form davon ist die Invocation - zu deutsch vielleicht "Anrufung". Entwickelt wurde dieses Opening (wie auch der Harold selbst) von Del Close am iO Chicago.
Dabei wird ein Gegenstand in 4 Stufen erforscht bzw. beleuchtet. In Stufe 1 beginnt jeder Satz mit "Es ist ...". Es illustriert die sachliche Ebene. In Schritt 2 wird der Gegenstand personifiziert. Mit dem Satzanfang "Du bist ..." sprecht ihr den Gegenstand direkt an. In Phase 3 kommt die göttliche Überhöhung des Gegenstandes. Redet wie mit einer Gottheit und beginnt jeweils mit "Ihr seid ...". Hier kann gern auch die überhöhte Theatersprache Verwendung finden. Denkt einfach an Shakespeare. In Stufe 4 sprecht ih als der Gegenstand selbst. Jeder Satz beginnt dabei mit "Ich bin ...". Beendet wird die Invocation durch das Wiederholen des Ausgangswortes durch alle zusammen mit "Ich bin ...". Continue Reading
Die Improbanden haben ein neues Impro-Langformat: "Spontan verliebt Romantic Comedy improvisiert". Premiere ist am 11. Juni 2016. Und für so ein größeres Projekt entstehen natürlich auch grafische Elemente. Das Poster für die erste Show im Fliegenden Theater in Berlin Kreuzberg habe ich gestaltet.
Dabei ist schöner Weise auch das Hintergrundbild von den Improbanden, es hat Claudia Hoppe fototgrafiert. Dabei sind eigentlich zwei Fotos von ihr. Die Skyline ist vom Klunkerkranich in Neukölln zu sehen. Das viele grün vom Tiergarten stammt aus der Sicht des Bikini-Hauses. Beides ist zu einem fiktiven urban-romantischem Ort in Berlin verschmolzen.
Und so wie das Poster soll auch die Show werden - mit Hach-Momenten und viel Emotion. Wer mit wem zusammenfindet ist völlig offen. Vom Format-Konzept her könnten alle Improbanden mitspielen. Also es erwartet euch ein großes Ensemble, was ja auch spannend ist. Am besten ihr schaut euch das an!
Das Buch "AERODYNAMICS of YES - The Improviser's Manual" von Christian Capozzoli ist kurzes und knackiges Büchlein. Ich habe hier die 1. Auflage von 2012 (erworben beim Improfestival Würzburg), die hat 122 Seiten. Das Buch lohnt sich für Improspieler, die schon auf der Bühne sind und Gruppenerfahrung haben. Es ist aus meiner Sicht kein Buch für Einsteiger in die Materie.
Christian Capozzoli lebt in New York. Er besitzt einen Master in Literatur von der Harvard University und ist regelmäßig im Upright Citizen Brigade Theatre zu sehen. Christian Capozzoli baut gerade das Reckless Theatre in Manhatten auf.
Im Buch gibt es natürlich eine Einführung und "Fundamentals" (Kapitel 1 - 3). Die sind wirklich kurz und zeigen die Stärke des Buches: kurz und knapp auf den Punkt kommen. Dann geht es über eine kurze Beschreibung der "Matching Technique" weiter zum Zentrum des Buches: es ist die Langform, die Capozzolis Gruppe "4Track" entwickelt hat. Am Ende gibt es viele konkrete Beschreibungen für Übungen und Hausaufgaben.
Bei der 4Track-Form wechseln sich Matching Scenes und 2 Personen-Szenen ab. Matching Scenes beginnen mit einem Sound und einer Geste. Oft sind diese schon auf einem hohen Energielevel (110% Energie). Die Gruppe nimmt diese Bewegung und Sounds oder Statements und steigert sie weiter. Energie ist hier alles. Tauchen Charaktere auf, gehören sie sofort allen. Stein für Stein wird mittels der Fragestellung "Wenn das wahr ist, dann gilt auch ..." weiteres hinzugefügt, immer jedoch auf diesem hohen Energielevel.
Diese Herangehensweise schafft ein ganz eigenständiges theatrales Format, was ich gern mal live sehen würde. Hier ein Video um vielelicht eine Idee davon zu bekommen.
4track from vanimprovfest on Vimeo.
Ab und zu ist Christian Capozzoli auch in Europa zu Besuch. Ich wäre sehr gespannt ihn mal zu erleben.
Ich hatte die große Freude, Thomas Jäkel im Soundlab der c-base zu einer #HYBR-Folge - der Radiosendung vom Communicationspult der Raumstation c-base begrüßen zu dürfen. Wir sprachen über einige von unseren gemeinsamen Projekten, Impro-News.de (von Thomas mitgegründet), den Berliner Impro-Marathon und Improvisationstheater ganz allgemein.
Hier geht es zur Folge: hybr.de.
Berliner Impro Marathon - Matchbühne, Foto:
Philipp S. Tiesel, CC BY NC 2.0
Zum Thema Verteilung von Geschlechtern in Improgruppen und in Workshops und vermeintlichen Unterschieden sind immer mal wieder Meinungen anzutreffen, die auf dem Bauchgefühl beruhen. Und sagt eben nicht sonderlich viel aus. Deshalb habe ich an Hand der aktuell verfügbaren Informationen auf den Webseiten und Social Media Profilen der aktiven (soweit mir bekannt) Berliner Improgruppen die Verteilung statistisch erhoben. Durch die Struktur der Improszene kann es sein, das Spieler*innen in mehreren Gruppen spielen. Es stellt also nicht den Schnitt aller Improvista dar, sondern die Summe aller Gruppenzusammensetzungen. Bei einigen wenigen Gruppen basiert die Zählung auf Fotos, oftmals ist das Ensemble genannt. Der Stand ist vom 3. Mai 2016.
Das Ergebnis in Zahlen: bei 37 38 Improgruppen sind insgesamt 282 291 Spieler*innen. Davon waren 139 Frauen und 143 Männer 142 Frauen und 149 Männer. Das würde ich als ziemlich noch ausgeglichen bezeichnen, was mich sehr freut.
Dabei waren 5 4 Gruppen exakt 50/50 besetzt, 17 19 Gruppen hatten mehr Männer, 16 mehr Frauen. Das unterstreicht die Ausgeglichenheit ebenso.
Bei den Musiker*innen sieht es ganz anders aus. Dort sind auf den Gruppenwebseiten 1 Frau und 13 Männer verzeichnet, was eine klare Richtung hinzu Männerdominanz weist. Im Vergleich zur Spieler*innen-Zusammensetzung doch recht erstaunlich. Da wäre ein Erklärungsansatz sicher interessant.
Bei der Rubrik Moderatoren ist die Anzahl mit einem ausschließlichen Moderator zu klein für sinnvolle Schlüsse. Es wäre da allerdings interessant, wir die Verteilung dort ist, wenn Spieler*innen moderieren.
Um hier eine weitere Statistik einzustreuen: Beim Berliner Impro Marathon drängten wir in diesem Jahr darauf, das Gruppen möglichst eine Spielerin und einen Spieler entsenden, um ein ausgeglichenes Ensemble zusammenzustellen. Dort 19 Frauen und 23 Männer, 3 männliche Moderatoren und 5 männliche Musiker.
Es gibt ja neben den normativen noch weitere Geschlechter. Und hier muss ich zugeben, nicht wirklich in Erfahrung gebracht zu haben. Soweit mir bekannt gibt es aktuell in Berlin keine transsexuelle*n Spieler*innen. Wer sich speziell für dieses Thema interessiert, in L.A. war ich bei der Aufzeichnung des Podcasts von Miles Stroth mit Joan Ford. Und Joan erzählt da einiges aus ihren Erlebnissen, was ich ganz spannend fand.
Die Daten sind im Einzelnen in diesem Google Spreadsheet einzusehen.
Bei Ergänzungen, Richtigstellungen etc. schreibt einfach einen Kommentar. Und gern auch bei Gedanken und Feedback zum Thema.
Die als Tag-Out oder Tag [tæg] (sieht im deutschen geschrieben seltsam aus, da es vom Kalender-Tag ja nicht unterscheidbar ist) genannte Technik beschreibt das leichte Klopfen auf die Schulter eines Spielers mit der flachen Hand. Diese Spielerin verläßt die Szene die verbleibenden Spieler*innen spielen weiter. Es fällt mir immer mal wieder auf, wie aus meiner Sicht handwerklich unsauber eine der zentralen Techniken des Szenenwechsels manchmal ausgeführt wird.
Die Basistechnik ist eigentlich ganz einfach und soll den Wechsel möglichst geschmeidig machen.
Das sind die Eckpunkte in 4 Schritten:
Zum einen ist alles Timing. Langsames reinschlürfen verpasst den Beat, der eigentlich zur Unterbrechung führt, es verwirrt ggf. das Publikum und Mitspieler und verschwendet Zeit. Außerdem bringt ihr Schwung und Energie mit, anstatt sie zu senken.
Ihr nähert euch eurerer Mitspielerin von hinten, wo bekanntlich keien Augen sind. Also die Berührung ist elementar und sollte im Kontext auf der Bühne keine Scheu erzeugen. Wenn das ein Problem für euch ist, dann bitte das vorher klar artikulieren - zumindest im westeuropäischen Kulturkreis ist das sonst der default. Die Berührung sollte merkbar sein, aber nicht mehr, sonst kann das als szenisches Angebot interpretiert werden. Noch schlimmer sind keine Berührungen. Das sorgt für allgemeine Konfusion - das nötige umdrehen und orientieren braucht Zeit, wer soll raus und wohin abgehen ist unklar.
Der taggende Spieler nährt ich einer der beiden Schulterseiten, als steht leicht diagonal, die Mitspielering dreht sich zur anderen Schulterseite weg. So steht ihr euch nicht im Weg oder im schlechteren Fall fallt übereinander und verletzt euch gar. Der Abgang ist ebenso zügig.
Ein Tag-Out ist genau dafür da, das weitergespielt wird und kein Grund von der Bühne zu fliehen. Die reinkommende Spielerin definiert, mit wem es weitergeht. Also soll wie immer beim Impro kein Vorplanen und Vordenken stattfinden. Stattdessen macht euch bereit für den Spaß in der nächsten Szene.
Das ist es schon. Vier ganz einfache Regeln, und die sollten wirklich achtsam ausgeführt werden. Im Standardfall beginnt der neu hinzugekommene Spieler mit einem neuen Angebot, verbal oder non-verbal. Und schon geht es weiter.
Es gibt da auch Erweiterungen zu dieser Technik - wie zum Beispiel rein optisches Abklatschen zur anderen Bühnenseite (um Laufwege abzukürzen und Zeit zu sparen), vor Figuren eindrehen als Szenenwechsel etc.. Ebenso kann es unterschiedliche Konventionen geben, wie es weiter geht. So können komplett neue Szenen jeweils anfangen oder die auf der Bühne bleibenden Figuren werden fortgesetzt. Die Übernahme der Körperhaltung (wie beim Freeze Tag) - wird der Tag-Out mit dem zusatzlichen Ruf "Freeze" oder lautem Klatschen angekündigt. Aber diese speziellen Erweiterungen gehören nicht zum Tag-Out per se, sondern das sind Abmachungen für spezielle Formate.
Eine Übereinkunft in die 4 Schritte und eine saubere Durchführung würde ich mir für alle Impro-Kurse wünschen, die die Tag-Out-Technik einsetzten. Wiederholt es gern und oft, denn das ist einfaches Impro-Handwerk. Und genießt den eleganten Erzählfluß.
Foto: WRM / Liam Robert Photography aboutbalance, East Van Comedy, Vancouver CC BY-NC-ND 2.0
Auch zu diesem Thema: Geschmeidige Szenenübergänge beim Impro.