Dogville - dieser meisterhafte und eigenwillige Film von Lars von Trier bietet eine Kulisse, die improgeeignet und ebenso alleinstehend ist. Auf Initiative von unserem Musiker Dirk Geier ergab eine tolle Format-Zusammenarbeit von den Improbanden und Improvisionären.
Beim Design - wie oben zu sehen - orientierte ich mich am Film. Der Kern des Formats - die auf dem Boden gezeichnete Stadt wurde das Hauptmotiv. Die verwendeten Fonts sind wie beim Filmplakat Glaser Stencil und Trebuchet. Und damit animierte ich diesen Trailer mit der Musik von Dirk, der auch für Dornroses Rache verantwortlich ist.
Harold - Teil 1: Strukur dieser Impro-Langform
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold - Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Im letzten Artikel zum Harold haben wir uns mit den verschiedenen Aufgaben der drei Beats beschäftigt. Die drei Geschichtenstränge werden in Beat 2 und 3 wieder aufgenommen und fortgesetzt. Hier lohnt sich ein genauerer Blick. Es gibt mehr Möglichkeiten als nur die gradlinige Weitererzählung der Geschichte, die vielleicht erst einmal am Naheliegendsten erscheint.
Arten des Bezuges auf die vorherige Szene:
Folgt dem Thema der ersten Szene
Die Szene im ersten Beat wird im zweiten und dritten Beat gespiegelt in einem komplett anderen Kontext mit anderen Figuren. Dadurch wird aber auch jedes Mal ein neuer Blickwinkel möglich. Sehen wir zum Beispiel in Beat 1 eine Person, die mit einem teuren Ehering anderen Personen vorschwindelt, glücklich verheiratet zu sein. So könnte in Szene 2 ein Ehering dazu benutzt werden, sexistischen Anmachversuchen zu entgehen. In Szene 3 wird der Ehering benutzt, um Fragen über den gerade verstorbenen Ehepartner zu vermeiden.
Folgt einer Figur
Vielleicht haben wir in der ersten Szene eine prägnante und vielschichtige Figur kennengelernt. Dann lohnt es sich, diese Figur weiter zu begleiten. Die folgenden Szenen spielen mit komplett anderen Szenenpartnern. Wir sehen ein runderes Bild der Sicht auf die Welt dieser Hauptfigur. Orts- und Zeitsprünge sind dabei hilfreich.
Folgt der Beziehung über die Zeit
In der ersten Szene haben wir die Beziehung zwischen zwei Personen erlebt. Diese Beziehung begleiten wir in beiden Richtungen der Zeitachse und sehen uns an, wie sich die Beziehung und die Figuren dabei wandeln. Hier spielen die gleichen Spieler*innen alle Beats, es können und sollen dann Supportcharaktere auftauchen.
Folgt einem spezifischen Wort
Ist ein spezifisches, also gut unterscheidbares Wort in der ersten Szene gefallen, kann auch das die Verbindung zu den nächsten Szenen sein. Gerade wenn das Wort im Zusammenhang mit dem Thema des Group Openings steht, kann hier der Ideenraum weiter erforscht werden. Es ist die am schwersten zu entdeckene Bezugsart. Deshalb sollte das Wort entweder besonders herausgestellt sein durch Wiederholung, besonderen Fokus in der Szene oder Einzigartigkeit. Schöpfungen neuer Worte bieten sich dafür in jedem Fall an.
Folgt der Handlung der Geschichte
Das Weitererzählen der Handlung fühlt sich durch Theaterstücke und Film sehr natürlich an. Und in einer Impro-Langform ist ja auch genug Zeit um solch eine Geschichte zu erzählen. Hier sollte darauf geachtet werden, das nicht zwei Spieler die Geschichte allein durcherzählen, denn der Harold ist ein Gruppenwerk. Alle Spieler*innen sollen Spielanteil bekommen. Bei mehr als 6 Mitspielern bedeutet das pro Beat Spielerwechsel geben sollte. Zeit und Ortswechsel helfen dabei. Ich hatte auch einen Trainer am iO, der Plot als Bezug für die schwächste Wahl hielt und das auch prägnant artikulierte. Das seh ich allerdings nicht so.
Folgt dem Komik-Struktur
Hat sich in Beat eins ein Game entwickelt, wird die gleiche Art des Games in Beat zwei und drei wiederverwendet. Die Impro-Schulen der Upright Citizens Brigade (UCB) betrachten das "Find the game" als essentiell und richtet ihren Harold-Ansatz entsprechend darauf aus. Game bezieht sich dabei auf das Finden einer Komik-Struktur, und nicht das Spiel/Game der Kurzform (deshalb lass ich auch Game hier als englischen Begriff stehen).
Beim Harold geht es um Muster - auch in der Form. Das bedeutet, wenn in Szene A2 Tangential benutzt wurde, um auf Szene A1 zu referenzieren, dann sollte A3 ebenso Tangential benutzen. Ebenso ist es schon, für die drei Geschichtsstränge 3 verschiedene Arten des Bezuges zu wählen.
Das bedeutet, das alle Spieler*innen erkennen müssen, was gerade gespielt wurde. Und sich das einprägen für den 3. Beat. Damit kommt zum Inhalt auch noch die Form als Komponente hinzu, die ihr euch merken müßt. Ich fand das unglaublich hart. Es ist zu Beginn ausgesprochen kopflastig das zu versuchen. beim iO wurden unsere Harolds tatsächlich erst einmal schlechter, denn allen rauchte wahnsinnig der Kopf. Allerdings ist unser Gehirn ja ein Wunderwerk, und es wächst mit den Anforderungen. So geht das dann in Automatismus über und wird dann ein tolles Mittel, um jeden Harold sehr unterschiedlich zu gestalten.
Wenn euch das Thema Harold mehr interessiert: am 6. und 7. Februar 2016 biete ich in Berlin den Workshop "Impro Langform Wochenende Chicago Style" an. Dort wird sich viel um den Harold drehen, wir experimentieren und nähern und diesem Format. Mehr Details gibt es hier: https://improbanden.de/workshops/impro-langform-wochenende-chicago-style/
Harold - Teil 1: Strukur
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold - Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Filme und Serien mit Harold-Struktur
Update:
Auf den Hinweis (Danke dafür) von Tobias Sailer von AMS!-Impro hab ich den Teil Game eingefügt. Weitere Hinweise, Anmerkungen und Fragen könnt ihr auch gern in den Kommentaren hinterlassen.
Harold - Teil 1: Strukur dieser Impro-Langform
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold – Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Das Group Opening hat mit Schwung und Energie das Thema des Harolds umrissen. Jetzt folgen die Szenen des ersten Beats in dieser Impro Langform. Dazu es ist interessant, noch einmal zurückzutreten und die Zielrichtung der drei Beat-Phasen zu betrachten:
1. Beat: Create
2. Beat: Explore
3. Beat: Connect
Im ersten Beat werden die Plattformen gebaut. Es wird hier auch von "Grounded Scenes" gesprochen. Es empfehlen sich Zweierszenen. Die können ruhig etwas länger sein und es gibt keine Tagouts. Die Szenen sollen möglichst spezifisch die Grundlagen definieren. Dazu gehören die klassischen 5 Ws, also: Wer? Wo? Welche Beziehung haben sie zueinander? Um was geht es? Und warum?. Da die Szene nicht zwingend weitergespielt wird in den weiteren Beats sollte sie eine eigene Sinneinheit bilden. Je spezifischer Teile definiert werden, desto besser. Inhaltlich bezieht sich der erste Beat auf die Themen, die im Group Opening gemeinsam gefunden worden. Allerdings werden diese Ideen nicht direkt übernommen sondern abgewandelt.
Im zweiten Beat werden die Möglichkeiten erforscht, die in den ersten Szenen angelegt worden. Es können Zweier- wie auch Mehrpersonen-Szenen entstehen. Es sind Tagouts möglich, um mehrere Szenen für einen Erzählstrang zu spielen. Die Szenen können insgesamt auch schneller sein als im ersten Beat. Insbesondere wenn viele Spieler beteiligt sind, sollte nicht die gleiche Spielerkonstellation wie wie im ersten Beat beginnen. Also spielen Szene A1 zwei Spielerinnen, kann höchstens eine der beiden in Szene A2 beginnen. Damit werden alle Spieler des Teams eingebunden. Zusätzlich werden die Sichtebenen auf das Grundthema vielschichtiger. und es kommen Zeitsprünge und Ortswechsel wie von allein. Denn hier im zweiten Beat ist die Zeit dafür, das Thema durch die Figuren vielschichtig zu beleuchten.
Der dritte Beat ist nochmal schneller. Bisher liefen die Geschichten parallel. Jetzt können sich einzelne Teile verknüpfen. Der Ort von Strang A taucht kurz in Strang C auf. Eine Figur aus Strang B ist plötzlich auch eine Nebenrolle in Strang A. Es verknüpfen sich die Geschichten zu einem Ganzen. Dabei ist es gut, Raum für Interpretation zu lassen. Die Köpfe der Zuschauer füllen das gern und bieten Gelegenheit zum anschließenden Reflektieren. Trotzdem wird auch im dritten Beat das Grundthema weiter beleuchtet. Es ist die letzte Möglichkeit, Motivationen einzelner Charaktere aufzuzeigen und die Geschichten abzurunden.
Wenn euch das Thema Harold mehr interessiert: am 6. und 7. Februar 2016 biete ich in Berlin den Workshop "Impro Langform Wochenende Chicago Style" an. Dort wird sich viel um den Harold drehen, wir experimentieren und nähern und diesem Format. Mehr Details gibt es hier: https://improbanden.de/workshops/impro-langform-wochenende-chicago-style/
Harold - Teil 1: Strukur
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold – Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Filme und Serien mit Harold-Struktur
Improtheater kann pure Schönheit sein. Dieses Poster im minmalistischen Flat Design Stil ist mein neuestes Werk. Mit den Strukturen von neun Impro-Langformen gibt es das nun als Druck hier zu bestellen. Es ist etwa 90 cm und 60 cm breit und auf hochwertigem matten Papier in Museumsqualität gedruckt. Darauf sind die Strukturen von berühmten und vielleicht auch weniger bekannten Langformen - Improspielerinnen und Improspieler mögen das. Es passt ebenso in Probe- oder Unterrichtsräume und ist mit Sicherheit ein ideales Geschenk, Weihnachten ist ja nicht mehr fern. An Hand der Stukuren könnt ihr das ein oder andere Format euch vielleicht erschließen, manches ist natürlich auch komplexer und bedarf ausführlicher Erläuterung von einem*r Trainer*in.
Bei Campfire oder auf deutsch Lagerfeuer sitzen die Charaktere an einem Lagerfeuer und erzählen sich Geschichten, die dann natürlich ausgespielt werden. Es kann gern gruselig und angsteinflößend bis horrorhaft werden.
Deconstruction basiert auf einer langen Basisszene, in der alle Informationen vorkommen, die danach in verschiedenen Phasen dekonstruiert werden. Das ist ein sehr komplexes Format.
Die Langform La Ronde bzw. Reigen beruht auf der Struktur des gleichnamigen Theaterstücks von Arthur Schnitzler. Dabei verläßt immer ein Charakter eine Zweierszene und ein neuer Charakter kommt hinzu, bis der Letzte und der erste Charakter aufeinander treffen und den Reigen schließen.
Die Monoscene ist ein Einakter ohne Schnitte, also eine durchgehende Szene. Dabei können wie beim Format "Naked Stage" Spieler auf- und abgehen, oder wie bei "No Exit" Charaktere die gesamte Zeit im Handlungsort verweilen.
Der Harold ist die älteste und berühmteste Langform, die im Wechsel zwischen Group Games und Szenen zu einem Thema ein theatrales Stück entstehen läßt. Der Harold hat einen sehr hohen Freiheitsgrad, die Struktur ist ebenfalls wandelbar und wird eigentlich nur zu Unterrichtszwecken so vermittelt.
Beim Appartment Building bzw. Mietshaus blicken die Zuschauer in 3 oder 4 Wohnungen eines Hauses und den sich darin entwickelnden Geschichten. Durch die nachbarschaftliche Nähe können sich die Charaktere der einzelnen Stories begegnen, bzw. Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel erleben.
Die Montage ist eine sehr lose Struktur. Die Szenen müssen sich nicht aufeinander beziehen, können aber ggf. auch wieder aufgenommen werden oder Charakter kommen wiederholt zurück.
Die Langform Asssscat 3000 basiert auf dem Armando. Ein Monolog liefert die Detailinformationen für diverse Szenen, die diese Details assoziert benutzen, bis wieder ein Monolog die Szenen unterbricht, dem wiederum Szenen folgen. Dabei kann jeder Spieler zum Monologist werden.
The Bat oder auch Harold in the Dark ist die Haroldstruktur gespielt mit geschlossenen Augen bzw. im dunklen Raum. Da hier schnelle Szenenwechsel schwieriger sind, einstehen oft weniger Schnitte und längere Erzählstrukturen.
Hier geht es zum Poster:
Shop.
Die drei Fotos oben stammen übrigens von der wundervollen Tash.
Teil 1 - Die Struktur
Teil 2 - Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold – Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Der Herold beginnt immer mit dem Einholen der Vorgabe, oft ausdrücklich gefordert genau ein Wort. Von diesem Wort wird dann das Opening assoziativ gestartet. Dabei bewegte sich bei eigentlich allen Harolds schon das Opening und später auch die Beats sehr weit weg von der Vorgabe - im Grunde kam die gar nicht weiter vor. Aus meiner Sicht etwas schade, gerade weil es nur diese eine Publikumsinteraktion gibt.
So viele Ideen wie möglich
Das Opening spielt das gesamte Ensemble und dient dazu, das Grundthema des Abends zu finden und so viele Ideen wie möglich zu diesem einen Oberthema anzuspielen. Ebenso ist es ein Energiebringer - je dynamischer und positiver die Energie des Openings, desto besser der gesamte Harold. Harolds mit negativem Opening tendieren auch dazu, das in den Beats fortzusetzen. Um das Oberthema ausfindig zu machen bedarf es Wachsamkeit aller Spieler. Es ist gut, Openings zu üben und sich danach auszutauschen, was jeder einzelne Spieler als Thema definiert sah. Dabei werden die Beobachtungen auseinander gehen - und das ist auch schön. Dabei ist ein Thema immer ein Satz, meist eine Feststellung. Je mehr eine Gruppe Openings spielt und bespricht, je mehr stellt sich eine Einigkeit über das Thema ein.
Die Gruppe erzählt die Geschichte
Die Spielform beim Opening ist - wie fast alles im Harold - ausgesprochen frei. Es gibts nur zwei Grundsätze: alle Spieler müssen involviert sein und es gibt kein Storytelling im Opening. Das bedeutet, es ist eine abstraktere Darstellung, es geht überhaupt nicht darum, witzig zu sein - sondern ihr findet euren Spaß gemeinsam. Figuren können auftauchen, aber sie sollten möglichst nicht als Charakter eine Geschichte spielen - allenfalls kurze Schlaglichter oder Statements - keine Dialoge. Passiert das, sollten diese von den anderen Spielern mit kreativen Übergängen (Edits) wieder aufgelöst werden. Denn schnell wird es statisch - Figuren sprechen, die anderen stehen - und es soll hier ja Energie für das Stück geholt werden. Also nicht so viel quatschen, sondern handeln. Achtet als Gruppe darauf, das sich jeder beteiligt. Gebt denen, die bisher noch nicht involviert waren den Raum, mit einzusteigen. Der Harold ist dazu da, den Gruppengeist auf die Bühne zu bringen, nicht einzelne Rampensäue mit Hintergrundgruppe. Die Gruppe erzählt die Geschichte.
Es gibt bewährte Formen des Openings - die alle einzeln oder gemischt anzutreffen sind: dynamisches Scene Painting der Gruppe (plastische Beschreibung von Orten oder Objekten), kurze Monologe oder (allwissende) Erzähler, Tanz und Pantomime, Invocation zu einem Gegenstand (Beschreibung mit den 4 Stufen "Es ist ...", "Du bist ...", "Ihr seid ..." und "Ich bin ..."), Songs, Spiele, Reisen zu verschiedenen Orten ("The Meanwhile Game"), nur Sounds (oder ganze Soundlandschaften), Moving pictures ... was immer euch einfällt. Eine schöne Übung ist es, mehrere Openings nacheinander zu trainieren und die so unterschiedlich wie möglich zu gestalten. Schaut, wie unterschiedlich die Nutzung des Raumes ist, wie sich Tempi und Lautstärken entwickeln usw.
Beginnt gemeinsam Spaß auf der Bühne zu haben
Nach 3-5 Minuten sollte die Gruppe selbstständig ein Ende finden. Oft ist das ein szenisches Endbild. Dann wird die Bühne einmal geleert um Platz für den 1. Beat zu schaffen. Das Endbild kann sich dabei auch am Thema orientieren. Ist ein Teil des Themas zum Beispiel Eis, kann ein Eisberg zum Schluss von der Bühne wegschmelzen. Je kreativer desto besser. Gibt es markante Bewegungen oder Übergange, können die im ganzen Stück als Übergang dienen. Hier werden also auch durch Körperlichkeiten und Geräusche die Abendthemen mit fest gelegt. Je prägnanter diese sind, desto schöner wird der Wiedererkennungseffekt beim Publikum sein. Und das allerwichtigste: beginnt gemeinsam Spaß auf der Bühne zu haben - dann folgt alles andere ganz von allein.
Harold - Teil 1: Strukur
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold – Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Filme und Serien mit Harold-Struktur
Der Harold gefeiert und gehasst, die berühmteste Langform beim Impro polarisiert. Die Fans nennen sie die befreienste Form des Zusammenspiels, Gegener weisen auf das selbstreferenzierende Impro für Improspieler und den oftmals für Publikum unklaren Plot hin. Und beide Seiten haben recht. Deshalb werde ich mich in mehreren Teilen mit dem Harold beschäftigen, zumindest so ist mein Plan.
In Teil 1 geht es um den Einstieg in die Struktur. Später werde ich das wohl nochmal aufgreifen und bestimmte Aussagen widerrufen. Aber so ist die Reise in dieses Format.
Beginnen wir kurz mit der Historie. Entwickelt wurde der Harold von Del Close. Als Artistic Director von The Committee wurde 1967 der erste Harold in Concord, Californien gespielt. Mit Gründung des ImprovOlympics Theater in Chicago (später nur noch kurz iO) wurde es dort zur Handschrift dieser berühmten Improschule. Und es ist ein lebendiges Format, es hat sich über all die Jahre frisch gehalten. Es gibt dem entsprechend auch nicht DEN Harold, sondern es gibt verschiedene Ansätze. Meine Prägung kommt hauptsächlich aus 5 Wochen Improv Summer Intensive am iO Chiocago 2013, das ist das komplette Ausbildungsprogramm an der iO.
Die Struktur
Auf den ersten Blick ist die Grundstruktur recht überschaubar und findet sich so oder so ähnlich in einigen Lehrbüchern und auch in der Wikipedia:
Nun ist das besondere am Harold, das schon in der Struktur improvisiert werden kann. Also mit anderen Worten, das ist alles kein Gesetz, sondern war ein Vorschlag von Del Close und Charna Halpern, damit ihre Schüler erst einmal loslegen konnten.
Es bedeutet, das alles auch anders sein kann. Ist ein Motiv gerade das Thema Überlänge, dann bietet sich förmlich eine Szene D1 ein, oder nach dem 3. Beat ein weiteres Group Game oder was auch immer. Und da nichts davon abgesprochen ist (sic!) bedeutet das erhöhte Aufmerksamkeit schon für die Struktur.
Schaut euch möglichst Harolds an und prüft ob ihr noch seht, wie der Aufbau ist oder nicht. Ich habe ausgesprochen klassisch strukturierte Harolds gesehen sowie welche, wo ich die Phasen nicht mehr zuordnen konnte. Mitschreiben half mir, die Struktur von gesehenen Harolds auseinander zu halten. Und das sorgte für Aha-Effekte. Macht das ruhig und schreibt in einer Show mit, wenn ihr euch ernsthaft an die volle Komplexität wagen wollt - egal wie seltsam das wirken mag.
Und spätestens hier fällt euch sicher auf, das der Einwand der Harold-Gegner durchaus schon seine Berechtigung hat - Impro als Selbstzweck. Allerdings ist die Strukturerkennung ja auch nur für Spieler interessant, für alle anderen zählt die Stärke des Gesamtstückes.
Deswegen geht das Thema behutsam an, macht zu Anfang nicht zu viel abweichendes, denn es gibt noch genug Sachen, die euch gleichzeitig fordern werden. Aber behaltet es schon einmal im Hinterkopf, denn das Thema Flexibilität kommt noch öfter.
Harold - Teil 1: Strukur
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold – Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Filme und Serien mit Harold-Struktur
Bei der Improvised Shakespeare Company kommt man nicht um das Schreiben in Superlativen herum. 2005 gegründet bringen die ausschließlich männlichen Spieler Stücke in der Sprache und dem Stil von William Shakespeare auf die Bühne des iO Theater in Chicago. Dort haben sie als einzige Show inzwischen 3 Termine pro Woche, immer Donnerstags sowie zwei Shows hintereinander jeden Freitag jeweils auf der großen Del Close Bühne - und trotzdem fast immer ausverkauft.
In den von mir gesehenen 4 Shows (und ich werde noch weitere ansehen) spielten jeweils 5 der insgesamt 17 Mitglieder des Ensembles in ganz unterschiedlichen Zusammensetzungen. Dabei wird ein Titel für das Stück vom Publikum eingeholt, das dann über etwa eine Stunde in zwei Akten mit einer kurzen Pause dazwischen aufgeführt wird. Sichtbares Markenzeichen der Shakespeare Company ist an das elisabethanische Zeitalter angelehnte Kleidung: ein loses Leinenhemd bis zu den Knien hochgeschlagene Hosen, die den Blick auf teilweise wundervoll bunte Kniestrümpfe lenken. Damit funktioniert die Projektion der Charaktere in die Zeit sehr viel einfacher für das Publikum.
Die verwendete Sprache ist in den typischen jambischer Fünfhebern, gereimt wird authentisch nur im Anfangs- und Endmonolog, in Liedern und Gedichten - soweit sie in der Geschichte vorkommen und zum Beenden einer Szene. Wenn nötig werden klar unterscheidbare Akzente in Old English, schottisch etc. eingebaut. Obwohl kein Musiker begleitet werden Lieder als Game eingebaut, auch den Endmonolog habe ich als Lied erlebt. Die Schlußworte sind dabei immer der vom Publikum vorgeschlagene Titel.
Was macht nun dieses Ensemble so besonders? Handwerkliche Perfektion ist die Basis. Sie kennen Shakespeare in Struktur und Sprache nach mehr als 400 Shows sehr genau. Da oft jeder der Spieler mindestens 3, eher aber 6-8 verschiedene Charaktere pro Stück spielt, ist ein deutlich sichtbarer physischer Wechsel der Persönlichkeiten von Nöten. Das meistern sie souverän, auch gleichzeitig mit mehreren Figuren auf der Bühne präsent zu sein. Bestechend ist aber vor allem die unbändige Spielfreude. In jeder Show finden sie ganz unterschiedliche Spiele, um sich selbst herauszufordern und sie werfen sich mit so unglaublich viel Engagement hinein und haben sichtbar richtig viel Spaß auf der Bühne. Und das schlägt direkt über aufs Publikum. Fast jede Szene ist wirklich brilliant, ebenso wie die Spieler, die alle tragend Ideen und Angebote beisteuern. Und obwohl tatsächlich jeder Spieler brilliant ist, ragt der Gründer und künstlerische Leiter der Gruppe - Blaine Swen nochmals heraus. Blaine arbeitet an seinem Doktor in Philosophie und wurde vom Chicago Reader 2010 als Bester Improspieler der Stadt benannt.
Spannend war für mich von einer langjährigen iO-Spielerin zu hören, das in 2005 - also zu Beginn der ISC - die Shows keineswegs so perfekt waren, sondern sich erst langsam dahin entwickelten, was heute wie ein Kinderspiel für die Gruppe wirkt: atemberaubendes, mitreißendes und hochgradig inspirierendes Improtheater.