Rockende Fellwesen beginnen die wöchentliche Improshow von Felt. Hier spielen ausschließlich Puppen Impro, die Spieler sind verborgen. Es geht derb zu, es ist Puppenspiel für Erwachsene. Die Langform besteht aus Szenen mit 2 bis 6 Puppen gleichzeitig, mit einer Publikumsvorgabe von Szene zu Szene wandern. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Puppen, die in ihren jeweiligen Charakteren auf der Bühne erscheinen, etwas weniger Charaktere würden allerdings auch reichen. Die Abstimmung und das Spielniveau ist gut. Die Szenen spielen in der realen Welt, allerdings würde ich mir manchmal etwas mehr Phantasie bei der Gestaltung der Beziehungen untereinander wünschen. Ein Teil des Humors kommt von einer sehr unverblühmten Sprache, die sonst auf Bühnen wohl wenig anzutreffen ist. Daher erinnert mich Felt auch weniger an das große Vorbild alles Puppen-Comedy - die Muppetsshow, sondern eher an Meet the Feebles, einer abgründigen Parodie von Peter Jackson.
Das Thema Puppen und Impro scheint sich dabei auszubreiten. Beim Chicago Improv Festival 2013 hatte Puppetery schon einen eigenen Slot, Felt dürfte da seinen Beitrag mit geleistet haben. Auch in Deutschland fängt es an, die Steife Brise aus Hamburg experimentiert in ihrem Format: "b.freit" mit Puppen und Stofftieren.
Bevor Felt auf die Bühne kommt, gibt es ein wöchentlich anderes Harold-Team zu sehen. Zum Abschluss gibt es dann Tagouts vom Harold-Team zusammen mit den Puppen, wobei Menschen nur Menschen und Puppen nur Puppen austaggen dürfen. Das sieht etwas statisch aus durch die etwas eingeschränkte Bewegungsfreiheit, hat aber durchaus seinen Charme.
Insgesamt eine schöne Show, nicht mehr und nicht weniger.
Schon als ich hörte, es gibt jemand der in Chicago ein Solo Impro-Musical spielt, war ein erster Gedanke, das MUSS ich unbedingt sehen, das ist zu absurd. Als ich dann erfuhr, es war ein Format von einem der Starspieler am iO Chicago - Blaine Swen, dem Begründer und herausragendem Akteur der Improvised Shakespeare Company wußte ich, das es möglich ist. Leider steht BASH! schon länger nicht mehr auf dem Spielplan. Aber manchmal spielt das Glück mit. Blessing, eine Duo-Show von Susann Messing und Blain Swen wird wöchentlich gespielt - und Susan weilte für 2 Wochen zum Unterrichten in London. Der "Ersatz" für die beiden Shows war tatsächlich die Wiederaufnahme des Solo Impro-Musicals BASH! Wir bekamen den Hauptgewinn - doppelt, YEAH!
Blaine holt sich am Anfang eine Inspiration vom Publikum, Johnny Depp Movies war es bei der ersten Show. Dave Asher, musikalischer Leiter des iO begleitet am Klavier gekonnt und gibt viel Inspiration in die Szenen und fordert den Spieler mit Stilen und Ideen. Die klassisch mit nur 3 Stühlen ausgestatte Bühne im Caberet Theater des iO erstrahlt mit der Präsenz von Blaine, der mit unglaublicher Eleganz diverse Figuren auf die Bühne zaubert, diese in kurze Szenen verwickelt und von ihren Gefühlen singt. Souverän spielt er Johnny Depp, dessen Inspirations-Figuren für kommende Filme, leidenden Schauspieler-Kollegen und mehr mit viel Wärme, Charme, Poesie und Witz. Alle Szenen haben Tiefgang, sind wahrhaftig und packend. Die Szenen sind assoziativ aneinander gesetzt wie eine Montage, die unter einem Hauptthema steht, weniger eine durchgehende Geschichte. Jedoch sind die Szenen eng verbunden, Charaktere kehren wieder, es ist kraftvoll und ausdrucksstark. Blaine singt emotional, stilistisch vielseitig und gekonnt. Er tanzt, flirtet mit dem Publikum und singt mit sich selbst Duette oder einen Ein-Mann-Chorus.
Es ist unfassbar, wie Blaine Swen ohne wirklich Zeit zu haben nicht nur die Kontrolle über alles behält, sondern sichtlich die Bühnenzeit genießt. Es scheint keinerlei Streß für ihn zu sein, ein solches Musical mit Leichtigkeit aus dem Ärmel zu schütteln. Es war eine der schönsten und magischsten Impro-Shows, die ich je sah. Anhaltende standing Ovations und reihenweise leuchtende Gesichter waren nach diesen fantastischen 30 Minuten der Lohn.
Bei der Improvised Shakespeare Company kommt man nicht um das Schreiben in Superlativen herum. 2005 gegründet bringen die ausschließlich männlichen Spieler Stücke in der Sprache und dem Stil von William Shakespeare auf die Bühne des iO Theater in Chicago. Dort haben sie als einzige Show inzwischen 3 Termine pro Woche, immer Donnerstags sowie zwei Shows hintereinander jeden Freitag jeweils auf der großen Del Close Bühne - und trotzdem fast immer ausverkauft.
In den von mir gesehenen 4 Shows (und ich werde noch weitere ansehen) spielten jeweils 5 der insgesamt 17 Mitglieder des Ensembles in ganz unterschiedlichen Zusammensetzungen. Dabei wird ein Titel für das Stück vom Publikum eingeholt, das dann über etwa eine Stunde in zwei Akten mit einer kurzen Pause dazwischen aufgeführt wird. Sichtbares Markenzeichen der Shakespeare Company ist an das elisabethanische Zeitalter angelehnte Kleidung: ein loses Leinenhemd bis zu den Knien hochgeschlagene Hosen, die den Blick auf teilweise wundervoll bunte Kniestrümpfe lenken. Damit funktioniert die Projektion der Charaktere in die Zeit sehr viel einfacher für das Publikum.
Die verwendete Sprache ist in den typischen jambischer Fünfhebern, gereimt wird authentisch nur im Anfangs- und Endmonolog, in Liedern und Gedichten - soweit sie in der Geschichte vorkommen und zum Beenden einer Szene. Wenn nötig werden klar unterscheidbare Akzente in Old English, schottisch etc. eingebaut. Obwohl kein Musiker begleitet werden Lieder als Game eingebaut, auch den Endmonolog habe ich als Lied erlebt. Die Schlußworte sind dabei immer der vom Publikum vorgeschlagene Titel.
Was macht nun dieses Ensemble so besonders? Handwerkliche Perfektion ist die Basis. Sie kennen Shakespeare in Struktur und Sprache nach mehr als 400 Shows sehr genau. Da oft jeder der Spieler mindestens 3, eher aber 6-8 verschiedene Charaktere pro Stück spielt, ist ein deutlich sichtbarer physischer Wechsel der Persönlichkeiten von Nöten. Das meistern sie souverän, auch gleichzeitig mit mehreren Figuren auf der Bühne präsent zu sein. Bestechend ist aber vor allem die unbändige Spielfreude. In jeder Show finden sie ganz unterschiedliche Spiele, um sich selbst herauszufordern und sie werfen sich mit so unglaublich viel Engagement hinein und haben sichtbar richtig viel Spaß auf der Bühne. Und das schlägt direkt über aufs Publikum. Fast jede Szene ist wirklich brilliant, ebenso wie die Spieler, die alle tragend Ideen und Angebote beisteuern. Und obwohl tatsächlich jeder Spieler brilliant ist, ragt der Gründer und künstlerische Leiter der Gruppe - Blaine Swen nochmals heraus. Blaine arbeitet an seinem Doktor in Philosophie und wurde vom Chicago Reader 2010 als Bester Improspieler der Stadt benannt.
Spannend war für mich von einer langjährigen iO-Spielerin zu hören, das in 2005 - also zu Beginn der ISC - die Shows keineswegs so perfekt waren, sondern sich erst langsam dahin entwickelten, was heute wie ein Kinderspiel für die Gruppe wirkt: atemberaubendes, mitreißendes und hochgradig inspirierendes Improtheater.
The Armando Diaz Experience am Montag Abend ist eine der Flagship Shows am iO Chicago. Es ist die am längsten laufende Impro-Show in Chicago. Gestern standen 12 iO-Alumni auf der komplett ausverkauften Del Close Bühne im iO, die ca. 150 Leute fassen kann. Ein Spieler ist "Armando Diaz" und eröffnet mit wahren Monologen nach Vorgabe des Publikums die Show. Aus diesem Monolog entspinnen sich dann ein oder mehrere Erzählstränge, die in Szenen mit verschiedenster Zusammensetzung umgesetzt werden - von Zweirszenen bis hin zu allen 12 Spielern reicht dort die Range. besonders augenfällig ist die Wahrhaftigkeit, mit der die Spieler in ihre Charaktäre schlüpfen. Wunderbare Geschichten zu alltäglichem wie auch zu aktuellen Ereignissen entstehen. Einige der Kulturreferenzen erschließen sich mir erst auf Nachfage, das aktuelle Entführungsfälle zitiert werden und Peanuts direkt mit Baseball in Verbindung stehen ist den Amerikanern.
Die Erzählweise wirkt sehr elegant, die Spieler achten sehr stark aufeinander. Allein mit kleinen Handbewegungen werden neu Szenenzusammensetzungen bestimmt. Dabei entsteht durch die Wahrhaftigkeit und Wachheit der Spieler sehr viel Witz, der zu den Figuren passt. Der Abend wird mit wahrhaftigen Standing Ovations bedacht.
Zum Auftakt der iO Improv Summer Intensive 2013 hatten die Teilnehmer die große Freude, Charna Halpern in einer Frage- und Antwort-Session erleben zu dürfen. Charna gründete zusammen mit Del Close 1980 das iO Chicago (anfangs noch ImprovOlymipcs), entwickelten gemeinsam das Markenzeichen des iO, die Langform "Harold" und beide schrieben zusammen das Buch "Truth in Comedy".
Charnas Präsenz ist unglaublich, vital plauderte sie über die ersten Schritte, Improtheater als eigenständige Kunstform zu etablieren. Ziel dabei war nichts geringeres, als bessere Menschen zu machen. Denn wenn jeder dem anderen genau zuhört, das Angebot akzeptiert und dann darauf aufbauend etwas hinzufügt, ist sowohl beim Impro wie auch im Leben schon sehr viel gewonnen. Bei den Geschichten aus der Historie wie auch zu den theoretischen Hintergründen strahlte Charna förmlich, sie machte an plastischen Beispielen klar, worum es ihr mit Improv geht.
"Being funny is not the goal. It is brilliance."
Wer die Möglichkeit hat, Charna einmal live zu erleben - unbedingt hingehen.