Moment of the day - Varanasi, Indien
Kurz vor Sonnenaufgang muss dieser junge Inder seine Lieblingssendung unbedingt sehen. Und es gibt immer eine Lösung. Es hört sich an wie ein Bollywood-Werk.
Sarah Macdonald schreibt in Holy Cow! "Can you say no?" "Yes, madam." "Say it then." "Yes, madam." Das trifft es schon recht gut.Auf der Straße wäre ein typisches Gespräch in Langform: "Hello Sir. Where you come from. Nice country. Want you visit my shop?"Oder die Kurzform: "Hello Sir, Autorikscha? Very cheap."Kinder können auch nach einem kurzem Hello gleich damit beginnen, ihre Landeswährung zu preisen: Rupie, Rupie. Diesen ca. 98% Gesprächen zu entkommen ist nicht leicht. Verschiedene Phasen und Strategien macht man durch 1. Freundliche Ablehnung. Effizienz: gering, zieht vielmaliges Wiederholen nach sich. Dann folgt 2. Ärgerliche Ablehnung. Effizienz genau wie beim freundlichen Ablehnen. Inder reagieren darauf nicht. Ärger baut sich leider auch bei einem selbst auf. Phase 3. Man will sich nicht mehr ärgern und ignoriert alles. Effizienz bei Händlern und Rikschas gut, bei Bettlern hilft das nicht. Nach weiterem rumprobieren kommt Strategie 4: Ein in sich ruhendes, lächelndes "No" mit aufrechtem Blickkontakt, kombiniert mit ablehnender Handgeste. Effizienz sehr hoch, auch bei Bettlern. (Will man Bettlern was geben -am Besten nur heiligen Personen mit Stirnbemalung- sollte man auf seinen eigenen Rückzugsweg sehr bedacht sein.) Ohne unmittelbares Geschäftsinteresse findet man ab und zu Kontakt, wenn ihr den findet, fragt was euer Herz begehrt. Und ab und zu gibt es auch auf der Straße Überraschungen: "You look like Obama" zu meinem Mitreisenden, sowie "Your hair let you look like Gandhi" zu mir. So reisen wir als zwei Nobelpreisträger incognito durchs Land.
Unangefochtene Nr.1 Sportart ist Cricket. Jeder Junge spielt das auf der Straße, egal ob mit Stock und Stein oder richtigem Schläger und Ball. Oft mit kompletter Mannschaft auf dem improvisiertem Platz, ob Dorf oder Stadt.11 gehören in das Verteidigungsteam, einer wirft den Ball, 10 stehen auf dem Feld verteilt rum. Vom Angreiferteam sind 2 auf dem Platz, einer schlägt den Ball und dann müssen beide kurze Strecken rennen. Kommt ein Ball in die Richtung eines Rumstehers, muss dieser fangen oder dem Ball hinterher laufen. Die anderen sehen zu.Fußball hingegen ist nur in der Nähe von Kolkata (das frühere Kalkutta wurde umbenannt) überhaupt existent. Ein von dort stammender ehemaliger Fußballspieler (und jetzt Hotelchef) sagte uns dazu: "Inder sind eigentlich faul. Fußball ist anstrengend. Inder fahren lieber Moped statt Fahrrad. Deshalb lieben Inder auch Cricket... Und Schachweltmeister sind wir auch." Klingt doch überzeugend :-)
Khajuharo ist ein kleines Nest ziemlich in Indiens Mitte. Hauptattraktion ist eine Hindu-Tempelanlage, die auch als Kamasutratempel bezeichnet werden. Die vielen Figuren sind sehr detailreich ausgearbeitet. Der Haupteil sind sowohl Götter und Menschen in diversen Posen, dazu Elefanten, Reittiere und Löwen. Und in der Tat sieht man vereinzelt Sex in diversen Spielarten, auch eine vielleicht 7m lange zusammenhänge Orgie gibt es an einer Stelle. Mit viel Zeit hat man das Areal in 3 Stunden komplett gesehen.
Wir waren aber noch 4 Tage dort. Was tun? Also Fahrrad leihen ist eine gute Idee. Es bibt versprenkelt weitere ähnliche Tempel (nur ohne Liebesdarstellungen) und die Möglichkeit, durch Dörfer und Landschaft zu radeln. Gerade wenn man aus den hektischen Städten kommt eine willkommene Abwechslung. Und sich Zeit nehmen und mit den Jungs vom Hotel eine Runde Cricket spielen auf dem englischen Rasen brachte uns dann auch menschlich näher und auf einmal hatten wir viel Gesprächsstoff, die Zeit verflog rasend schnell.
Das Mausoleum Taj Mahal in Agra ist schon ein wirklich beeindruckendes Bauwerk. Perfekt abgestimmt ist jedes Detail in vollkommener Achssymetrie eine Augenweide. Durch die Wasserbecken und den Sockel scheint das Bauwerk förmlich zu schweben.
Mein Großvater, Alfred Fichtner wurde 1901 in Shimla, Indien geboren. Dort waren meine Urgroßeltern als christliche Missionare unterwegs. Vermutlich 1904 besuchte die Fichtnerfamilie auch den Taj Mahal. Und mein Uropa entschied, das Alfred zu klein sei, um auf einen der 4 Türme mit hinauf zu klettern. Auf der Familienfeier zu seinem 90. Geburtstag - also 87 Jahre später, erzählte uns mein Großvater diese Geschichte, und das er sich immer noch darüber ärgert. Aber diese sich einprägende Faszination des Bauwerkes kann ich gut verstehen.
Die Türme sind jetzt seit ca. 20 Jahren für den Touristenverkehr nicht mehr zugänglich, also ich kam auch nicht hinauf. Auch hier herrscht Symetrie.
Lord Vishnu, einer der drei Hindu-Hauptgötter (die anderen beiden sind Brahma und Shiva) wurde gestern in der ganzen Stadt Jaipur gefeiert. Zu Anfang des Tages bemerkten wir an allen möglichen Ecken eine Anhäufung von Musikern mit Blechblasinstrumenten. Später zogen die sich stylische Uniformen an (weiß und eine Farbe bunt) und an Gürtel, Turban und den Tubas war Vishnu zu lesen.
Nach Sonnenuntergang bot sich dann ein skuriles Bild: Eine kleine Menge bildete sich und wurde von Frauen mit elektrisch betriebenen Kronleuchtern auf dem Kopf eingerahmt (mit Kabel verbunden und hinten ein LKW mit Aggregat). Vorn spielte die Brassband, die sich auch auf dem Balkan nicht verstecken müßte und in der Mitte tobte ein Partymob. Am Ende des Zuges ritt ein Kind auf einem überreich geschmückten Pferd. So schnell sie aufgetaucht sind, so schnell waren sie auch wieder weg, 23:00 war der Zauber vorbei.
Einige Fragen bleiben für mich offen:
Antworten und Vermutungen gern als Kommentar.
UPDATE: Es handelt sich um Hochzeitsfeiern. Und offenbar waren an dem Tag eine Menge davon.
Von Delhi kommt man über Jaipur nach Pushkar. Die heilige Stadt ist ein großes Pilgerzentrum der Hindus. Einer ihrer 3 Hauptgotter - Brahma, der Erschaffer hat dort seinen Haupttempel. Um den Ort zu finden warf Brahma eine Lotusblute. Diese umrundete 3x die Welt und landete im heiligen See von Pushkar.
Es sind mehr als 500 Tempel - jedoch nicht ausschließlich Hindi - in dem kleinen ortchen, viele aber nicht offen fur Touristen. Denn Touristen sind da deutlich zu viele. Kommt man in den Ort von der Bazaarseite, fuhlt man sich eher in einer heiligen Shopping-Mall, vor allem abends. Tagsuber und in anderen Ortsteilen geht es dann.
Fazit: Mit einem Tag hat man schon viel Zeit ubrig. Kamelreiten ist eine gute weitere Beschaftigung vor Ort. In der 3h-Tour, die fur den ungeubten Hintern ausreicht, kommt man durch Minidorfer dann in Steppengebiete.
Lallan, unser Kamelfuhrer: "Ihr denkt die Wuste ist einsam. Keine Frauen, kein Wasser, kein Geld, kein Spaß. Aber ich bin ein Wustenjunge. Die Wuste ist immer Spaß. Und ich kann alles tun was ich will." Toller Typ. Spater erzahlt er noch, das er das letzte große Kamelrennen zum 2. Mal gewonnen hat wahrend der großen Camel Fair in Pushkar. Lallan traumt davon, irgendwann die 60.000 Rupien (1.000 €) fur ein eigenes Kamel zusammen zu bekommen. Ich druck ihm die Daumen.
Wer sich im goldenen Dreieck Delhi - Jaipur - Agra bewegen will, landet oft beim Auto. Und das ist ein Abenteuer für sich.
Grundsatz: Keinesfalls selbst fahren. Der Stil ist so anders, das geht nicht ohne üben auch für erfahrene Fahrzeugführer. Es wird nicht sonderlich schnell gefahren, dafür ist es extrem voll und eng. Es wird trotzdem gnadenlos überholt. Aus zwei Spuren werden immer vier, mit Motorrädern dazwischen auch gern mehr. Für die 400 km von Delhi nach Pushkar haben wir trotz zügigem Fahren 8h gebraucht. Teilweise im Dunkeln ist das schon haarsträubend.
Optisches Highlight sind die Trucks. Alle verziert und bunt bemalt sind das wirklich sympathische Zeitgenossen. Hinten steht oft handgemalt "Please horn". Der Aufforderung wird gern Folge geleistet. Ein Auto ohne Hupe gilt als kaputt.