Der Harold gefeiert und gehasst, die berühmteste Langform beim Impro polarisiert. Die Fans nennen sie die befreienste Form des Zusammenspiels, Gegener weisen auf das selbstreferenzierende Impro für Improspieler und den oftmals für Publikum unklaren Plot hin. Und beide Seiten haben recht. Deshalb werde ich mich in mehreren Teilen mit dem Harold beschäftigen, zumindest so ist mein Plan.
In Teil 1 geht es um den Einstieg in die Struktur. Später werde ich das wohl nochmal aufgreifen und bestimmte Aussagen widerrufen. Aber so ist die Reise in dieses Format.
Beginnen wir kurz mit der Historie. Entwickelt wurde der Harold von Del Close. Als Artistic Director von The Committee wurde 1967 der erste Harold in Concord, Californien gespielt. Mit Gründung des ImprovOlympics Theater in Chicago (später nur noch kurz iO) wurde es dort zur Handschrift dieser berühmten Improschule. Und es ist ein lebendiges Format, es hat sich über all die Jahre frisch gehalten. Es gibt dem entsprechend auch nicht DEN Harold, sondern es gibt verschiedene Ansätze. Meine Prägung kommt hauptsächlich aus 5 Wochen Improv Summer Intensive am iO Chiocago 2013, das ist das komplette Ausbildungsprogramm an der iO.
Die Struktur
Auf den ersten Blick ist die Grundstruktur recht überschaubar und findet sich so oder so ähnlich in einigen Lehrbüchern und auch in der Wikipedia:
- Vorgabe
- Group Opening
- Beat 1
– Szene A1
– Szene B1
– Szene C1 - Group Game 1
- Beat 2
– Szene A2
– Szene B2
– Szene C2 - Group Game 2
- Beat 3
– Szenen A3 & B3 & C3
Nun ist das besondere am Harold, das schon in der Struktur improvisiert werden kann. Also mit anderen Worten, das ist alles kein Gesetz, sondern war ein Vorschlag von Del Close und Charna Halpern, damit ihre Schüler erst einmal loslegen konnten.
Es bedeutet, das alles auch anders sein kann. Ist ein Motiv gerade das Thema Überlänge, dann bietet sich förmlich eine Szene D1 ein, oder nach dem 3. Beat ein weiteres Group Game oder was auch immer. Und da nichts davon abgesprochen ist (sic!) bedeutet das erhöhte Aufmerksamkeit schon für die Struktur.
Schaut euch möglichst Harolds an und prüft ob ihr noch seht, wie der Aufbau ist oder nicht. Ich habe ausgesprochen klassisch strukturierte Harolds gesehen sowie welche, wo ich die Phasen nicht mehr zuordnen konnte. Mitschreiben half mir, die Struktur von gesehenen Harolds auseinander zu halten. Und das sorgte für Aha-Effekte. Macht das ruhig und schreibt in einer Show mit, wenn ihr euch ernsthaft an die volle Komplexität wagen wollt – egal wie seltsam das wirken mag.
Und spätestens hier fällt euch sicher auf, das der Einwand der Harold-Gegner durchaus schon seine Berechtigung hat – Impro als Selbstzweck. Allerdings ist die Strukturerkennung ja auch nur für Spieler interessant, für alle anderen zählt die Stärke des Gesamtstückes.
Deswegen geht das Thema behutsam an, macht zu Anfang nicht zu viel abweichendes, denn es gibt noch genug Sachen, die euch gleichzeitig fordern werden. Aber behaltet es schon einmal im Hinterkopf, denn das Thema Flexibilität kommt noch öfter.
Weitere Harold Artikel
Harold – Teil 1: Strukur
Harold – Teil 2: Group Opening
Harold – Teil 3: Die Aufteilung der Beats
Harold – Teil 4: Bezüge zwischen den Szenen
Filme und Serien mit Harold-Struktur