Aktuell wird gerade auf Sat1 die als “Improvisationscomedy” angekündigte Show “Jetzt wird’s schräg” wiederholt. Da ich keinen Fernseher habe, verpasse ich sowas gern. Aber ein Freitag Abend auswärts schubste mich dazu, die Sendung im TV anzusehen.
Zwei Staffeln und insgesamt 12 Folgen wurden von Juli 2014 bis Februar 2016 ausgestrahlt. Moderator Jochen Schropp stellt dabei wechselnden Gästen Aufgaben und greift mit Regieanweisungen auch während der Szenen ein. Namensgebend ist eine um 22,5° schräg gestellten Bühne, die dem entsprechend schwierig zu bespielen ist.
Improtheater kein wesentlicher Teil
Ich erwischte Folge Zwei der ersten Staffel. Gäste waren die improtheater-erfahrenen Lisa Feller (Placebotheater) und Bernhard Hoëcker (ehemals Springmaus), die Comedians Maxi Gstettenbauer, Markus Krebs und Luke Mockridge sowie das Model Rebecca Mir (Germany’s Next Topmodel) und der Profitänzer Massimo Sinató (Let’s Dance). Bei der Zusammensetzung fällt schon auf, das Improtheater kein wesentlicher Teil der Show sein wird.
Von Regieanweisungen zugekleisterte Szenen
Die erste Aufgabe ist tanzen mit einer Vorgabe, wie etwa zu enge Schuhe oder Bauchschmerzen. Massimo Sinató ist dabei toll anzusehen, klar als Tanzprofi ist das schon unangemessener Einsatz von Talent. Solch ein Spiel – gedacht für einen Kindergeburtstag – ist als Abendunterhaltung schon hart anzusehen. Es wird auch danach kaum besser. Eine Szene im Dunkeln ist eine Homage an den die Unterhaltungsform YouTube-Prank. Filmtitel pantomimisch darstellen hinter einer Schattenwand ist ebenfalls ein Partyspiel – bekannt als Scharade. Es wird hier scheinbar darauf geachtet, das die beiden Improspieler ihr darstellerisches Talent nicht zeigen dürfen. Die Deckenkamera senkrecht von oben wird auch gern eingesetzt. “Bodystabieren” läßt zwei Spieler Buchstaben mit dem Körper legen. Das ist schon wirklich grenzwertig, der Unterhaltungswert ist nahe null. In dem Spiel “Flachfilm” (Name ist Programm) wird eine von Regieanweisungen zugekleisterte Szene nachgestellt. Die Deckenkamera sorgt von sich aus für das komische Element, mehr wird da auch nicht zugelassen.
Die Kunstform Improtheater vom TV einfach unterschätzt
Es gab auch noch ein Spiel, was tatsächlich Überschneidungen zu Improshows hat – die ABC-Szene. Dabei wird spätestens hier klar, das die Kunstform Improtheater einfach unterschätzt wird. Model Rebecca Mir, Markus Krebs und Luke Mockridge (Sohn von Bill Mockridge, dem Gründer und Chef des Improtheaters “Springmaus”) haben sichtbar keinerlei Einführung in die Basics einer Improszene erhalten. Wir unterrichten die ABC-Szene sehr früh in unseren Impro-Kursen. Und ganz ehrlich machen das Anfänger in Improstunde Zwei oft schon schöner. Mir ist auch nicht klar, warum hier nicht wenigstens ein Improspieler zur Unterstützung hinzugenommen wird. Das würde sehr viel helfen. Comedians sind vielleicht lustige Leute, aber wenn die Basis einer Szene fehlt, ist damit auch sehr schwer Komik zu erzeugen. Stimmt allerdings die Szenengrundlage, entsteht Komik (fast) von allein. Und das ist erlernbar – entgegen landläufiger Meinung, das Comedy ein ausschließlich angeborenes Talent wäre.
Spaß am Scheitern und falsche versprechen
Zum Schluß kommt dann die Szenen auf der schiefen Bühne. Eine wirkliche Szene kommt auch hier nicht zustande. Allerdings ist das Scheitern an der Gravitation durchaus hübsch anzusehen. Also zur Einschätzung: bei 22.5° Neigung bleibt nicht mal ein Stuhl stehen, alles rutscht runter. Hier ist die Spielfreude speziell von Bernhard Hoëcker an diesen ungewöhnlichen Umständen sichtbar. Er schmeißt sich rein, macht überraschenden Quatsch und hat sichtlich Vergnügen am Erforschen der Möglichkeiten. Vermutlich ist er deshalb auch eines der fast schon unvermeidlichen Aushängeschilder jedes Impro-Formates im deutschen Fernsehen. Das überdeckt schon ein wenig die fehlende Substanz der Sendung. Ich war teilweise erleichtert, das eine Werbepause kam.
Impro ist anders
Fazit: einzig zu sehen sind Leute, die versuchen scheitern zu vermeiden und damit ganz gut umgehen. Das ist immerhin eine Improtugend. Sonst hat das ganze TV-Format wenig damit zu tun, was in Improshows passiert. Und das ist auch das größte Problem aus meiner Sicht: der Begriff wird für ein breites TV-Publikum anders besetzt und erfordert von uns Improspielern, diesen Scherbenhaufen wieder wegzuräumen. Impro kann viel sein. Es gibt diverses an Spielformen, ob kurze Spiele oder längere Geschichten. Ich will hier auch keine Begiffsdiskussion beginnen, was Impro, Improtheater oder Improcomedy denn wäre. Aber eines sein hier ganz klar gesagt: Improtheater ist ganz anders als die TV-Variante “Jetzt wird’s schräg”. Und oftmals um Längen unterhaltsamer.
Leave a Reply