“Es gibt keine Regeln beim Improtheater, ich nenne Dir mal die zehn Wichtigsten.”
Im Improtheater ist alles möglich, es gibt keine Begrenzungen. Genau deshalb wird auf einer leeren Bühne gespielt – nur Stühle sind vorhanden – um wirklich alles zu imaginieren zu können, Grenzen existieren nicht. Demnach kann dadurch keine Regeln wirksam sein. Und doch existieren sie. Ein klassisches Paradoxon?
Beim Improtheater geben wir uns Regeln, um uns von nicht bühnengeeigneten Angewohnheiten abzuhalten. Davon gibt es eine ganze Menge:
- Stell keine Fragen
- Kämpfe nicht
- Verneine nicht
- Vermeide Belehrungsszenen
- Verhandle nicht um Geld (keine Transaktionsszenen)
- Sprich nicht über die Vergangenheit oder die Zukunft
- Sprich nicht über Charaktere die nicht in der Szene sind
- Vermeide Talking Heads (statische Sprechszenen)
- …
Es schließt es trotzdem nicht aus, das großartige Szenen damit entstehen können. Hier liegt der erste Denkfehler. Regeln sind beim Einsteigern in eine neue Materie wie dem Improtheater spielen nützlich, denn sie verankern sich im Kopf und lassen sich gut abrufen. Nur wenn es immer mehr werden wird es schwierig, auf jede Einzelne acht zu geben. Daher geht mit dem Fortschreiten der Fähigkeiten einher, das bestimmte Regeln so verinnerlicht sind, das die/der Spieler/in sich nicht mehr aktiv mit ihnen beschäftigen muss – Regel-Autopilot. Erreicht die/der Spieler/in den Meistergrad, können solche Regeln sogar behindern und von Entscheidungen abhalten. Aber die/der Meister/in sieht das große Bild und läuft nicht mehr in die kleinen Fallen. Bewußtes brechen schafft dann erst die nötige Freiheit.
Zweiter Punkt: Es sind alles Verbote und alle haben ihre Gründe in empirischen Beobachtungen, das diese verbotenen Bühnenhandlungen weniger überzeugende Szenen liefern. Vielleicht wäre es einfach effektiver, diese Verbote in positive Impro-Empfehlungen zu wandeln.
- Akzeptiere und füge etwas hinzu
- Reagiere emotional
- Sei wahrhaftig
Jede der vorherigen Verbotsregeln (und vieler weiterer) führt schnell zum ignorieren ein- oder mehrerer dieser Impro-Empfehlungen. Die erste Empfehlung ist das klassische YES, AND … wobei hierbei die/der Spieler/in JA sagt, nicht zwingend der Bühnencharakter – das ist ein häufiger Irrtum. Unabdingbar ist auch das hinzufügen einer neuen Information – der AND-Teil. Mit Emotionalität und Wahrhaftigkeit werden die Entscheidungen und das Handeln für die Charaktere wichtig und damit gewinnt jede Szene spürbar an Dichte.
Und hier kommt die Stärke dieser positiven Auslegung: natürlich kann eine Frage ein vorheriges Angebot akzeptieren, etwas hinzufügen, emotional und wahrhaftig sein. Und genau dann führen auch Fragen weiter in hoffentlich ungeahnte Szenenhöhen. Ich spiele aktuell mit dem Mantra dieser drei Impro-Empfehlungen. Und es macht das Improvisieren für mich sehr viel entspannter und leichter.